Herrenlos

Am Montag war ich doch noch beim NSU-Prozess (im selben klaustrophobischen Saal habe ich viel Zeit mit John Demjanjuk verbracht). Mitten im Plädoyer der Staatsanwälte siegte die Neugier. Wieder der Blick aus der Ferne, steil von der Tribüne herab. Die Hauptangeklagte aufgeschwemmt, ohne Aura, müde; der einstige NPD-Parteigänger, ganz Funktionär, ganz und gar grau; der tätowierte Neonazi tatsächlich böse tätowiert; der angeklagte Kronzeuge isoliert, vielleicht etwas geläutert. In gnadenlos feierlicher Präzision breiten die Staatsanwälte die fürchterlichsten Taten aus, über die sonst keiner sprechen will. Ein postdramatischer Moment: Die Verbrechen des selbsternannten Untergrunds – herrenlos geworden, noch erbärmlicher, vollkommen sinnlos.