Unglaublich

aber wahr ist, dass wir fast keines der Bücher James Baldwins in  deutscher Übersetzung kaufen können. Rowohlt hat einst manches gedruckt, in der schönen Reihe „Das neue Buch“ etwa, wo auch Rolf Dieter Brinkmanns „Rom, Blicke“ erschien. „Eine Straße und kein Name“ habe ich mir antiquarisch besorgt, politische Essays wie „Schwarz und Weiß“, die „Notes of a native son“. Ich war sofort hingerissen von der klaren, schmerzhaften Dringlichkeit dieser Texte, die im besten Sinne intellektuell sind, so hart wie warmherzig und gar nicht eitel, meilenweit vom Lärm des Literaturbetriebs entfernt, und doch ins Herz der aktuellen Lage treffend, wider den Rassismus, wider die Homophobie, wider den chauvinistischen Hochmut. Und so etwas führt kein deutscher Verlag in seinem Programm? Ja, der Roman „Giovannis Zimmer“ kam noch einmal heraus, in der „Bibliothek der verschwundenen Bücher“ der ZEIT. Es war Teju Cole, der mich auf Baldwin brachte, in „Vertraute Dinge, fremde Dinge“ widmet er ihm einen emphatisch melancholischen Essay. Vor einem Jahr kam Raoul Pecks eindrucksvoller Dokumentarfilm „I Am Not Your Negro“ in die Kinos – jetzt erscheint immerhin „Von dieser Welt“ – Sasha Marianna Salzmann bespricht Baldwins einstigen Debütroman in der FAZ – und erzählt, wie sie auf den Autor kam (es hat mit Istanbul zu tun, unbedingt lesen!). „James Baldwin ist überall und gehört zu uns und unserem Denken, nicht weil wir in politisch brisanten Zeiten leben, sondern weil die Welt immer nach ehrlicher, kompromissloser Literatur hungert“. Und wann lesen wir wieder Baldwins finster strahlende politische Essays?