Maulfaul

Hoffnung ist trügerisch. Gestern verlängert die Regierung den Lockdown um zwei Wochen. Einfach so. Einfach so? So viele Fragen, so viel neue Wut und noch mehr Zweifel, enttäuschte Gesichter den ganzen Tag über überall. Die einen sehen gerade noch ein, dass Regeln nötig bleiben, andere nähren Theorien wenn nicht von Verschwörung so doch von gigantischer Fehlkalkulation. Wer könnte sagen, gar begründen, was jetzt richtig ist. Merkel hat es in Berlin nicht einmal versucht. Seit der Ankunft der Flüchtenden aus Ungarn 2015 wirft man ihr vor, ihre Politik nicht genug zu erklären. Oft habe ich gedacht: „wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land“ – was wäre mehr zu sagen? Doch gestern wirkte sie müde, gereizt, übellaunig. Erklärte kaum, warum jetzt was geschieht und vor allem was nicht. Kurven, Zahlen, Notwendigkeiten (und von Kultur wieder kein Wort). Sie reagierte unwirsch auf Journalistenfragen – als störten sie nur die Koordinaten Risikogruppen und Systemrelevanz, jenseits derer nichts mehr zu zählen scheint, auch Millionen Existenzen nicht. Mehr als einmal habe ich mich in den letzten Wochen gefragt, wann wir renitent werden und uns gegen ein total werdendes Gemeinwohl erheben. Alles verändert derzeit sein Gesicht, auch der Mensch in der Revolte und der Moment, da er den Schock überwindet und aus dem Malstrom aussteigt. Noch so ein maulfauler Versuch zu dekretieren, was tausend Worte bräuchte, und der Aufstand kommt.