Ergreifend

Anita Lasker-Wallfisch war in Auschwitz – wie erbärmlich es klingt, wenn wir sagen, jemand war dort und hat es überlebt -, heute kam sie in den Bundestag zur Gedenkstunde an die Opfer unseres Nationalsozialismus. Sie hielt eine Rede, so einfach wie ergreifend, vielen kamen die Tränen. Wer weinte nicht, wenn er sie da hinterm Pult sitzen sieht, eine alte gebrechliche Frau mit sehr jungen Augen und höchst lebendigen Zügen, um Jahrzehnte jünger wirkend, ein vages Zwinkern zum Schluss, ihrer Wirkung durchaus bewusst. Ihre Sprache war von jener schnörkellosen Klarheit, die weit hinabreicht, ohne tief zu werden, getragen von einer Erfahrung, die uns fremd ist, schon weil wir sie verantworten, eine Sprache, die von der Liebe erzählt, während sie vom Tod handelt.