Trauern

Kaum hatten wir letzten Freitag von Tel Aviv aus Jerusalem erreicht, kam die Nachricht, dass Amos Oz gestorben ist. Gerade noch, im Bus, hatte ich „Wie man Fanatiker kuriert“ zu Ende gelesen, seine (Tübinger!) Vorlesung zur Feier des Kompromisses und der Ambivalenz, Tugenden, die jetzt überall in Not geraten. Sekundenlang bezog ich die Nachricht auf mich – Oz ist am selben Kalendertag wie ich geboren, um in dem Moment in Jerusalem zu sterben, da ich die Stadt zum ersten Mal betrete -, dann glaubte ich wieder fest an die Vernunft des Zufalls. So arbeitet der stille Paranoiker – der laute bezieht alles auf sich um mächtig aufzublühen -, er fürchtet noch den Flügelschlag des fernen Schmetterlings gesetzt zu haben, er trägt, wenn es irgend naheliegt, jede Last der Welt und ist nur davor gefeit sich wie Atlas zu fühlen, weil er sich im Spiegel nicht mehr wiederfinden kann, vor, hinter, über sich die große alte Stadt aus beige-grauem Stein (oder den müden Beton der weißen Stadt oder die öden 50er Jahre-Bauten deutschen Wiederaufbaus oder den Wald, der auch – noch – nicht an ihm gestorben ist). Dann stellt er nüchtern traurig fest – mit Oz ist einer gegangen, der ihn zur Vernunft bringen konnte, ohne zu wissen, dass es ihn gab.