klasse

Habe Der Platz von Annie Ernaux wiedergelesen, in der Neuübersetzung von Sonja Finck. Starker Text, tolle Verknappung, wieder brauchte ich eine Zeit um über die Kühle hinwegzukommen, das irgendwie fast eitel Unwirsche. Gestern dann die „Super-8-Tagebücher“ ihres Sohnes David Ernaux-Briot, ein Film, von dem man sich auch „erholen muss“ (Nils Minkmar in der SZ – auch ist von mir). Starke Bilder, tolle Reduziertheit. Der Kommentar der Autorin – wach erstauntes Selbstgespräch, der eigenen Prosa durchaus verwandt – klang sehr viel wärmer – was an der Stimme von Eva Mattes liegen mag, die Ernaux synchronisiert -, wärmer jedoch, um mich gleich wieder abzukühlen. Während die Texte Ernauds auch nur den Hauch von Bedeutung meiden, blitzt hier viel Bedeutsames auf – „Ich begriff, warum man die Sonne einmal als Gottheit verehrt hat“ -, unter Bildern so privat, dass sie im guten Sinn trivial sein müssen, in einem Setting, so bürgerlich, dass sich ihr Lebensthema, die Klasse, schnell verflüchtigt. Über den Moment, da die Familie zerfällt, sagt sie, sie habe damals in ihr Tagebuch geschrieben, „er kann mich in seinem Leben nicht gebrauchen“. Der Film besteht fast nur aus Bildern, die einst ihr Mann gedreht hat (seine Kamera, sein Handwerk, seine Macht), zu denen sie sich, im Off, in jene Autorin verwandelt, die wir bewundern (so sehr, dass ich ihren Satz erst umgekehrt gehört habe – ich konnte ihn in meinem Leben nicht gebrauchen). Natürlich, Leben ist etwas anderes als Schreiben (oder Sprechen), Lesen etwas anderes als Schauen, doch der Zauber des Authentischen überdauert seine Feier kaum

polpod – sieben mal krieg

politischer podcast im Mai 2022

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polpod - sieben mal krieg
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