Kostbar

Ist doch alles Gold, was glänzt? Die meisten Journale, Homestorys, Corona-Tagebücher, die jetzt in einer Flut über uns kommen, tragen Feierliches vor sich her, wo es doch nichts zu feiern gibt. Da funkelt das Kostbare des Unterfangens, das Schmuckstückhafte und Pretiose im Anspruch der Welt von etwas zu sprechen, das diese Welt in diesem Augenblick ganz einfach ist. Als wäre das Erleben unter der unheiligen Corona, und sei es noch so leer, der Gedanke vor dem Frühstück, der Spaziergang zu zweien, mit Hund, die Sehnsucht nach den Freunden etwas Besonderes. Oh, das abenteuerlich einsame Herz, holdes Empfinden der Isolation. Wer im Moment, da alle Bedeutung verdampft, Bedeutung erzeugt, sollte sich nicht wundern, wenn er sentimental geworden ist. Vom Kitsch pathetischer Überlebensbehauptung schreibt wundebar Julia Encke in der Frankfurter Sonntagszeitung, um von Giordano bis Emcke alle aufs Korn zu nehmen, die es nicht lassen konnten (die aber natürlich zur Feder greifen, wenn die verstummte Welt etwas zu hören begehrt). Am Ende all der zittrigen Journale, losen Gedanken und tiefen Einblicke in Welten, die man nie zu sehen hoffte, bleibt die Frage: Kann man mit sich selbst mitfühlen? Ich fürchte ja.