Trauerspiel

Selten sahen Sieger so verloren aus. Kein Bastamann, keine Bastafrau stand da als neue(r) KaiserIn auf der Bühne des Willy-Brandt-Hauses, natürlich nackt, sondern die zwiefach Gestalt gewordene Basis von nichts. Und war es nicht absolut nichts, dann doch so elend wenig, dass die Gesichter ringsum grau und fahl wurden, während die eine ihren dürren Arm auf die schmale, runde Schulter des anderen legte, zentnerschwer, von oben herab im doppelten Sinn, weil sie größer ist und als einzige ehrlich triumphierte, so tapfer klapprig, als müsste jeden Augenblick alles in sich zusammenbrechen. Es geht hier nicht um Empathie für Olaf Scholz oder eine Kritik des Hinterzimmers, aus dem Kevin Kühnert nicht mal mehr herauskam, mir ist auch nicht nach Häme gegen die Reste der SPD und der „großen“ Koalition zumute. Mir kamen eher die Tränen – die einst stolze Partei des Aufbruchs und der Morgenröte, vollkommen machtentleert, herrlich wie die Resopalschicht auf dem Zweckmöbel eines beliebigen Arbeitszimmers, verhärmt, verbittert, international wie der abgelegenste Ortsverein. Vorwärts schreiten, kämpfen, radikal sein? Es sah viel mehr nach kurz mal Anhalten, Ausruhen, nach Zahnwurzelschmerzen, nach dem Ringen um einen letzten Atemzug aus.